“Traumhafter” Klavierabend mit Heloise Ph. Palmer am 28. September 2013
Eindrücke zur Premiere, April 2013
Der „andere“ Klavierabend
Wolfgang Hahn, Stuttgart, Mai 2013
Das 5. Konzert bezieht sich allerdings auf ein imaginäres Land: Der Tod steht im Zentrum des Programms, als „eine besonders kraftvolle Gelegenheit zur Reflexion des eigenen Fühlens und Handelns” wie wir aus dem einstimmenden Text des Programmhefts erfahren. Da aber der Tod nur denkbar ist im Kontext zum Leben, so definieren weitere Gegensätze wie “Liebe versus Krieg, Schönheit versus Anmaßung” die Umrisse eines Spiegels, in dem die Zuhörer sich selbst begegnen können, eingeladen sind, mitzudenken und mitzufühlen: die Kunst als Spiegel aller Spiegel; die Durchdringung von Wort und Musik in einem sorgfältig kalkulierten Verlauf.Auf der Bühne steht ein schwarzer Flügel; vor ihm, in der Bühnenmitte ein weißer Stuhl; seitlich rechts präsentiert eine Staffelei ein unaufdringliches Bild, das teilweise symmetrisch angelegt ist: ein ornamentaler Rahmen, ein Blick durch den Innenhof einer großartigen Architektur in Richtung Himmel? Jedenfalls wird der Blick fokussiert in die freie Bildmitte, in eine imaginäre Ferne. Kleine schwarze Lautsprecher rahmen die Bühne ein; aus ihnen werden die Wortbeiträge des Abends hörbar werden. Die Künstlerin tritt auf – schwarze Haare, weißes Kleid – und setzt sich auf den Stuhl in der Bühnenmitte, den konzentrierten Blick zunächst leicht abwärts gerichtet, bevor er durch das Publikum wandert und dessen Blicke “zurückspiegelt”. Denn wir hören die Programmeröffnung, das Gedicht “Im Spiegel” von Heloise Palmer, das die erwähnten Antagonismen des Programmhefts aufnimmt, entfaltet und lyrisch verdichtet und so den Verlauf des Abends anstößt. Das erste Klavierstück “Cipressi” op. 17 von Mario Castelnuovo-Tedesco ist ganz dem Leben zugewandt: wir sind in der Natur, hören/sehen Zypressen in unterschiedlichen Stimmungen, zu unterschiedlichen Tageszeiten, in sonnig-lyrischen Momenten, in windig-stürmischen Situationen. “Faule Unaufrichtigkeit – Liebe” ist das zugespielte Begriffspaar, das die “three preludes” von John Palmer eröffnet, eine Uraufführung der 1987 komponierten Stücke. Wir hören scheinbar vertraute Klangsplitter aus teilweise tonalen, lyrischen, unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängen; Anspielungen auf einen breiten musikalischen Erfahrungsschatz. Das zweite Prelude überträgt diese Erfahrungen auf die Bewegung: fließende Bewegungssplitter. Das dritte Prelude resümiert die beiden vorangegangenen auf eigene Art und Weise. “Hatz, Sensationsgier” sind die Begriffe zur Eröffnung des virtuosen “Allegro Brillante” op. 72/2 von Moritz Moszkowski, sie werden im Verlauf des Musikstücks um “Spielfreude, Lebenseifer” – sinnlich nachvollziehbar – ergänzt. Wir sind hier im Programmverlauf an einem deutlich diesseitigen, lebenszugewandtem Punkt angekommen, dem nun mit dem nächsten Stück ein Wendepunkt folgt. Die Musik richtet sich “nach innen”, wird quasi religiös, transzendent. Und so wird Brahms’ Ballade Nr. 4 aus op. 10 folgerichtig mit den Begriffen “Schönheit” und “Göttlichkeit” konnotiert. Versunken und entrückt lauscht man dem letzten Abschnitt der Ballade, in dem Introspektion und Abschied thematisiert sind. “Krieg, Nationalismus” sind die nächsten Sprachfetzen und Krieg bedeutet auch “Guernica” (nach Picasso), der Titel der folgenden Komposition von Paul Dessau. Wir sind hier plötzlich, aber folgerichtig, bei den grausamen Aspekten des Diesseits. Mit Krieg verbunden ist der Tod, abscheulich unter dem Aspekt des “plötzlichen Herausgerissen seins”. Aber der Tod hat auch eine würdevolle Seite, am Ende eines erfüllten Lebens. Daher improvisiert die Künstlerin eine unerwartete Überleitung zum nächsten und letzten Programmpunkt “smrt” (Tod) von Leos Janacek. In dieser Improvisation erklingen Anspielungen an Brahms’ Ballade und die “Cipressi”. Auf diese Weise wird das letzte Stück allen inhaltlichen Facetten gerecht, bevor die Klappe die Tasten verschließt. Doch mit dem Tod ist nicht alles aus: Es erklingen noch einmal die “Cipressi” von Mario Castelnuovo-Tedesco, ohne dass das Programmheft dies ausweist. Wie schön, auf diese Art wieder dem Leben zugewandt zu werden; oder schließt sich ein Kreis? Die Pianistin erhebt sich vom Flügel und setzt sich noch einmal auf den weißen Stuhl – hier schließt sich ein anderer Kreis. Wir hören den letzten lyrischen Beitrag der Künstlerin, die sich nun mit einem schwarzen Band die Augen verschlossen hat: “Die Würde”.Aber müsste hier nicht die Rede sein von den pianistischen Fähigkeiten der Künstlerin? Zum Beispiel von ihrer makellosen Technik in den virtuosen Passagen, von der Wärme des Tons bei Brahms, von der klaren Zeichnung der Stimmungen in den Cipressi. Möglicherweise ja. Aber ist es nicht das größte Kompliment, wenn dies nicht zur Hauptsache wird, sondern “nur” Mittel zum Zweck ist. Wenn offensichtlich gelungen ist, was die Künstlerin anstrebte: die Zuhörer mitzunehmen zum Mitdenken und Mitfühlen.
Prof. Siegfried Eipper, Stuttgart, 30. 4. 2013
‐‐‐
Die Pianistin sitzt stumm auf einem Stuhl vor dem Flügel, aus zwei Lautsprechern klingt ihre Stimme. Am Ende des Konzertabends wird sie abermals stumm auf diesem Stuhl sitzen, diesmal aber mit einer schwarzen Binde vor den Augen. Nicht die Musik, sondern eigene Texte („Im Spiegel“ und „Die Würde“) bilden den Rahmen für die Reise in ein fiktives Land, in welches uns an diesem Abend die Pianistin und Poetin Heloise Palmer mitnimmt. Es ist keine leichte Kost die uns auf dieser Reise präsentiert wird, aber was ist die Aufgabe von Kunst? Palmer beantwortet dies im Sinne Nietzsches: was wir im Leben nicht oder nur schwer (er)tragen können, menschliche Kälte, Krieg, Tod, in der Welt der Kunst können wir es und wir werden geläutert. Man wird die bekannteren Stücke des Konzertabends von Brahms und Janacek sicher anders hören als zuvor.
Volker Ignaz Schmidt, 5.5.2013
—
M. Hustig, Pulsnitz, April 2013
—
Sie sind selbstbewusst und sehr präsent auf der Bühne. Sie wecken unsere Empfindungen, bringen uns zum Nachdenken, lassen kein Abschweifen der Gedanken zu. ”Im Spiegel” nennen Sie Ihr neuestes Werk. Ihre Kunst zeigt die bunten Facetten eines kostbaren Kristallspiegels. Möge er stets wohl gesonnene Mienen ihrer Zuhörer widerspiegeln ‐ so wie bei unserem Konzert am Donnerstag. Die eindringlichen Worte zwischen den Musikstücken öffnen unsere Fantasie, geben uns mehr Möglichkeiten Ihren musikalischen Gespinstegarten zu verstehen. Sie sind eine talentierte Musikerin und Poetin zugleich. Welche Begabung! Wieder hat mich Ihre Vielseitigkeit beeindruckt. Ihr Auswendigspiel der Werke so verschiedener Komponisten und Musikrichtungen, die Wiedergabe der unterschiedlichsten Stimmungen mit Eindringlichkeit. “Three preludes” haben Sie mit besonderer Innigkeit vorgetragen. Sie haben uns die noch unbekannten Klänge sehr nahe gebracht. Sie fordern von ihren Zuhörern viel Aufmerksamkeit, belohnen sie jedoch mit tiefen Empfindungen. Sie führen uns mit Ihren Klängen in die frühlingshafte Natur. Lassen uns nachdenken über Tand und Eitelkeit. Die Schönheit der vertrauten Musik von Brahms gibt uns Erholung. Doch Guernica lässt Angst und Schrecken der Kriegstage wach werden. Janàcek: Bewegt nehme ich Ihre sensible Interpretation der Elegie über den Verlust seiner Tochter auf. Ein tieftrauriges Schicksal, ausgedrückt in dem zu Herzen gehenden Thema. Ihre eigene, ganz neue Komposition schließt sich an. „…ist unantastbar“, sagt die Stimme. Würdiger Schluss eines ergreifenden Konzerts.
I. Gauß, Stuttgart, April 2013
—–
Sing,
Vogel
meiner
Seele,
sing!
Eindrücke
zur
Premiere,
Januar
2013
Der
Pianistin
Heloise
Ph.
Palmer
gelingt
mit
„Sing,
Vogel
meiner
Seele,
sing!“
das
bisher
dichteste
und
programmatisch
stärkste
Konzert
ihrer
Gespinstegarten
Reihe.
SINN‐REICH‐Abende
überschreibt
die
Künstlerin
ihre
Konzerte
und
das
sind
sie
im
doppelten
Wortsinn:
die
menschlichen
Sinnfragen
umkreisend
und
reich
an
sinnlichen
Eindrücken,
denn
Palmer
ist
mehr
als
eine
herausragende
Pianistin,
sie
ist
zugleich
Dramaturgin,
Poetin
und
Multiinstrumentalistin.
Ihr
bis
ins
letzte
Detail
ausgefeilte
Programm
war
ein
Konzertabend
höchster
Konzentration,
leidenschaftlicher
Dramaturgie,
perfekter
Choreographie,
raffiniert
angereichert
mit
Poesie,
Live‐Elektronik
und
eingespielten
Klängen.
Konnte
man
Palmer
in
ihren
vorhergegangenen
Programmen
noch
einen
potpourri haften
Umgang
mit
Werken
klassischer
und
zeitgenössischer
Musik
vorwerfen,
so
gelingt
ihr
in
ihrem
neuen
Programm
eine dichte
poetische
Erzählung,
welche
den
Einzelwerken
genug
Raum
zur
Eigengeltung
lässt.
Nach
diesem
Höhepunkt
bleibt
mit
Spannung
abzuwarten,
wie
Palmer
ihre
kommenden,
noch
ausstehenden
Gespinstegarten
Konzerte
gestalten
wird.
Volker
Ignaz
Schmidt,
Stuttgart,
27.
1.
2013
‐‐‐
Neue
Wege
beim
Klavierabend.
Was
sinnvoll
eingesetzte
Imagination
und
Kreativität
vermögen,
war
bei
dem
Konzert
mit
der
jungen
Heloise
Ph.
Palmer
im
Stuttgarter
Matthaes
Piano
Zentrum
zu besehen.
Anstatt
am
Klavier
alte
Schlachtrösser
aufzuzäumen
oder
irgendeinen
oberflächlich
reißerischen
Gag
anzuwenden,
vertraute
H. Ph.
Palmer
allein
auf
die
Kraft
der
Poesie
und
auf
ein
übergreifendes
Konzept,
“Palästina”,
‐‐‐
und
traf
in s
Schwarze.
Sorgfältig
ausgewählte
Texte
und
ebenso
sorgfältig
ausgewählte
Klavierwerke
hierzulande
völlig
unbekannter
Komponisten
aus
Israel
und
Ägypten
unterstützten
sich
gegenseitig
in
der
Erzeugung
einer
aparten
Stimmung,
die
gleichwohl
die
jetzige
Situation
in
Palästina
reflektierten.
Dass
Frau
Palmer
nicht
von
vorgestern
ist,
stellte
sie
eindrucksvoll
unter
Beweis,
indem
sie
mutig
für
eine
adäquate
Textausdeutung
auch
den
Klavierklang
verfremdende
Elektronik
bis
hin
zu
Passagen,
die
der
Geräusch‐Ästhetik
der
“musique
concrete”
verpflichtet
sind,
einsetzte.
Überraschende
Ausflüge
zu
von
ihr
selbst
gespielten
anderen
Instrumenten
(Perkussion,
Flöte)
rundeten
das
Bild
dieser
“poetic
performance”
ab,
die
in
eine
neue
Dimension
von
“Konzert”
führte,
nach
der
der
geistesgegenwärtige
Musikliebhaber
heute
hungert.
Man
darf
auf
weitere
Abende
von
Frau
Palmer
gespannt
sein.
Julian
Teuremer,
Stuttgart,
27.
1.
2013
‐‐‐
Mit
keinen
Worten
kann
man
das
Problem
Israel‐Palästina
so
auf
den
Punkt
bringen.
Ich
hoffe,
dass
dieses
ungewöhnliche
Konzert
einen
größeren,
angemessenen
Rahmen
findet.
R.
W.,
Halle,
20.1.2013